Othmar Eder

DURCH DEN WALD
31. Oktober 2009 – 24. Dezember 2009

WIDMER+THEODORIDIS contemporary freut sich zum zweiten Mal den Thurgauer Künstler Othmar Eder präsentieren zu dürfen. Die neuen Werke sind Teil einer Trilogie: Nach dem ersten Teil ‘über die Berge’, der dieses Jahr im Kunstraum Kreuzlingen gezeigt wurde, bespielt Othmar Eder nun die Galerieräume und den Projektraum ‘Ehegraben’ mit dem zweiten Teil ‘durch den Wald’.

Auf seinen Wanderungen und Reisen zu und über die Berge wurde Eder bewusst, dass auch die Wälder für ihn eine wichtige Inspirationsquelle darstellen. Durch den Wald, auf seinen täglichen Fahrradfahrten zum Atelier, auf sommerlichen Wanderungen im Alpstein und nicht zuletzt in seinen Kindheitserinnerungen reiht Eder aus subjektiver Perspektive Erinnerungen und Funde aneinander. Erfüllt von Gerüchen, Geräuschen, Licht und Schatten setzt Eder in assoziativ-kontemplativen Bildern zeitlich voneinander Getrenntes übereinander und nebeneinander. Die Zeitachse wird vertikal aufgestellt und die Zeit kommt zum Stillstand. 

Es ist diese Stille in Bildern, wie der Springer mit dem Wasserfall, in denen Eder eine dichte, poetisch-emotionale Atmosphäre herstellt. Szenen wie mit den drei Skifahrern, die gebannt auf den gegenüberliegenden Hang blicken, evozieren eine Ruhe vor dem Sturm. Oder wie das Bild einer leblos wirkenden Schildkröte, fotorealistisch scharf gezeichnet, das dem Betrachter erlaubt, gleich einem allegorischen Fenster, einen Blick in seine Erinnerungslandschaft zu werfen: Ein Moment voller Ewigkeit. 

Passend zu Eders Werk erlaubt folgendes Zitat aus Marcel Proust’s ‘Die Flüchtige’ einen metaphorischen Verweis: Die Tage der Vergangenheit überdecken allmählich alle, die auf sie folgen. Doch jeder Tag von früher bleibt in uns hinterlegt wie in einer unendlich großen Bibliothek, in der auch noch von den ältesten Büchern jeweils ein Exemplar existiert, nach dem wahrscheinlich nie ein Mensch fragen wird. Wenn jedoch dieser alte Tag dann gleichwohl die durchsichtige Schicht der späteren Epochen durchsteigt, wieder an die Oberfläche dringt, sich weit in uns ausdehnt und sich über alles ergießt, nehmen die Namen von früher für einen Augenblick ihre alte Bedeutung wieder an, die Personen ihr einstiges Gesicht, wir unsere Seele von dazumal, und wir durchleben noch einmal unter unbestimmten, aber erträglich gewordenen Leiden, die nicht lange andauern, jene längst schon unlösbar gewordenen Probleme, die uns zu ihrer Zeit so sehr geängstigt haben. Unser Ich besteht aus einer Schichtung aufeinanderfolgender Zustände. Doch diese Schichtung ist nicht starr wie die eines Berges. Immer wieder führen Aufbrüche im Inneren alte Lagen an die Oberfläche empor. 

Eders Werk ist durchsetzt von Erinnerungen und Fundgegenständen, die er oftmals mehrmals einsetzt und die Findlingen gleich nach einer langen Reise wieder an die Oberfläche gespült werden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erfolgt emotional und ausserhalb eines Zeitrasters. ‘Durch den Wald’ reiht sich als Teil dieser Trilogie nicht nur nahtlos an den ersten Teil sondern nährt überhaupt den Erzählstrom in seinem Werk und verweist auf den dritten Teil ‘in die Stadt’.