Bitumen wurde schon in der Antike benutzt. Das aus Erdöl gewonnene, thermoplastische Material verflüssigt sich beim Erhitzen und wird beim Erkalten fest. Seine hydrophoben Eigenschaften wurden für wasserempfindliche Bauteile verwendet – die hängenden Gärten von Babylon sollen mit Bitumen abgedichtet gewesen sein. Dennoch geriet das Material bis in die Renaissance in Vergessenheit und wurde erst wiederentdeckt, als abermals für das Abdichten der Dachgärten Bitumen eingesetzt wurde.
Neben den Videoarbeiten ‘Pitch Drop’, die das das Fliessverhalten von Bitumen untersuchen, sind weitere, neue Arbeiten aus dem gleichen Material zu sehen. Die künstlerische Praxis von steffenschöni umfasst auch das Abformen verschiedener Objekte, wie Fotoapparate, Radios, Malpinsel, Überwachungsbildschirme und sogar Asphaltmuster aus dem Strassenbau. Für ‘Black Logs’ wurden Holzscheite verwendet, mit Ton abgeformt und mit Bitumen abgegossen. Dass dabei Fehler im Guss entstehen, ist wohlkalkuliert und verringert die ästhetische Faszination, die von diesen tiefschwarzen Objekten ausgeht, keineswegs. Wie Bitumen und Erdöl ist auch Kohle ein fossiles Material, das unter Sauerstoffausschluss und Druck einen geochemischen Prozess durchlaufen hat. Der Abguss von Holz mit Bitumen – beides fossile Energieträger – kommt somit einer unvorstellbaren Zeitreise von Jahrmillionen gleich.
Ohne Wasser, kein Leben, aber auch kein Bitumen. So gesehen, schliesst sich mit der Serie ‘Iguazu’, den Gemälden von Heidi Schöni, ein gross angelegter Themenkreis. Die auf den ersten Blick so unterschiedlichen Bilder, Objekte oder Videos vereinen auf verschiedenen Ebenen Gemeinsamkeiten, die als Metapher für die Zeit und für die Unendlichkeit gedeutet werden können. Das langsame Fliessen des Bitumens, komprimierte, unter Druck materialisierte Zeit wird so dem tosenden Wasserfall mit seiner ungestümen, kinetischen Energie gegenübergestellt.
Heidi Schöni hatte bei ‘Iguazu’ zum einen das gleichnamige Bild von Wolfgang Tillmans vor Augen. Auf die Frage, wie er sich von solchen (Bild-)Klischees lösen konnte, erklärte der Fotograf in einem Interview, dass auch er sich der Faszination der Iguazu-Fälle nicht entziehen konnte oder wollte, weil es Dinge gibt, die ‘mega-populär’ sind, weil sie gut sind. Zum anderen waren Schöni von ihren Japanreisen Holzdrucke von Wasserfällen und Tuschearbeiten, wie ‘Kiefernwald’ von Hasegawa Tohaku schon seit längerem ein Begriff. Wie beim Abformen der Holzscheite neuartige Objekte aus Bitumen entstehen, erschafft Schöni auch bei ‘Iguazu’ den Wasserfall neu, indem sie sich einerseits auf die Vorlage beruft, aber schliesslich auf sich selber und ihre künstlerische Praxis referenziert.
steffenschöni sind Heidi Schöni und Karl Steffen. Heidi Schöni hat ihre Studien an der Zürcher Hochschule der Künste beendet und ist seit 1981 freischaffende Künstlerin und Dozentin. Karl Steffen studierte an der University of Florida und der Illinois University und ist seit 1980 freischaffender Künstler und Instruktor. Zusammen leben und arbeiten sie in Schmidshof, Schweiz. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, unter anderem im Kunstmuseum Thurgau, Kunstmuseum Singen, Museum Bickel Walenstadt, Hiltibold St. Gallen und in der Kunsthalle Arbon.