Für die Serie in der aktuellen Ausstellung verweist Elisabeth Nembrini mit dem Titel an das (beinahe) gleichnamige französische Volksmärchen. Das Mädchen La Belle muss anstelle ihres Vaters im Schloss des Tieres (Bête) verweilen, ansonsten stirbt das Tier. Abgestossen von der äusseren Hässlichkeit verliebt sich La Belle schlussendlich dennoch in das edle Wesen und dieses verwandelt sich in einen schönen Prinzen.
Die Figuren und Bilder in dieser schönen und doch beunruhigenden Geschichte sprechen unser Innerstes an. Schon auf den Höhlenzeichnungen frühester Zeiten ist klar erkenntlich: ohne Tiere keine Menschheitsgeschichte. Ob domestiziert oder wild, der Mensch steht nicht nur über den Tieren, sondern lebt mit und von ihnen. In schamanischen Ritualen und religiösen Überlieferungen wurde das Bedrohliche, aber auch das Machtvolle der wilden Tiere unterworfen und in Besitz genommen. Ob Masken, Totem, Fetisch, Glücksbringer, Jagdtrophäen, Abbildungen, Märchen oder Embleme – was wir auf dem Weg in die Zivilisation zurückgelassen hatten, wurde auf vielfältige Weise zurück gewonnen. Wir schmücken uns mit der wilden Kraft der Natur, die wir gebändigt und zu Eigen gemacht haben. Für das Happy-End muss La Belle weder Waffen noch Seil oder Käfig einsetzen. Die Liebe allein, befreit das Tier vom seinem Fluch und überführt es in die menschliche Existenz.
Auf den barock anmutenden Bildern von Elisabeth Nembrini geht es ähnlich zivilisiert zu. Die Zeichen- und Körpersprache ist anmutig und adelig, die feinen Damen aus der Aristokratie posieren mit exotischen Tieren. Bei Leonardo da Vincis Werk ‘Dame mit Hermelin’ handelt es sich natürlich nicht um ein Haustier. Die Legende besagt, dass es einem weissen Hermelin während der Jagd gelang, vor der Herzogin Anne de Bretagne zu fliehen. Die Flucht endete jedoch vor einem sumpfigen Gelände, welches das stolze Hermelin aus Angst sein Fell zu beschmutzen nicht betreten wollte. Sichtlich beeindruckt, nahm darauf die Herzogin das Hermelin in Schutz und führt seitdem weisse Hermelinschwänze und den Spruch ‘Potius mori quam foedari’ (Lieber sterben als entehrt zu werden) im Wappen.
Elisabeth Nembrini zieht auf diesen stillen Bildern einen Spannungsbogen zwischen der unbezwingbaren Aufrichtigkeit der Natur und des rational gelenkten, zivilisierten Menschen. Entfremdet von seinen Trieben und Instinkten bedient er sich der Tierwelt, macht es wieder zu einem Teil von sich, das er dirigieren, dem er folgen kann, es nachahmen kann. Ohne Klauen, ohne Stachel, ohne Zähne. Früher hiess es Mimesis – heute sind es unsere Avatars.
Elisabeth Nembrini lebt und arbeitet in St. Gallen. Studium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. Ihre Ausstellungstationen: Hiltibold, St. Gallen; White Space, Zürich; Kulturraum S4 Bahnhof, Lichtensteig; The Others, Turin; Geiler Block, Trogen; Werkschau TG 16; Kunstmuseum Thurgau; Kulturraum des Kantons St. Gallen und Kunstzeughaus Rapperswil. Sie erhielt etliche Auszeichnungen und konnte zahlreiche Arbeiten im öffentlichen Raum, wie für das Landwirtschaftliche Zentrum Salez SG, die St. Galler Kantonalbank Heerbrugg SG oder die Universität St. Gallen realisieren.