Bekannt für seine sonst kleinformatigen Holzobjekte, macht sich Ernst Stark dieses Mal an einem grossen Tier zu schaffen. ‘Bois de Boulogne’, karibische Landschaften, Häuser oder Wasserlilien, sie alle sind klein, sehr klein, nehmen sich stark zurück und fordern den Betrachter auf, den Blick zu fokussieren. Das Tier ist da ganz anders.
'Ein seltsames Tier tritt dem Besucher souverän und unvermittelt entgegen. Die frappierende Präsenz und archaische Anmutung des hölzernen, aus einer Linde geformten Leibes erfüllt den Raum mit einer besonderen Aura. Die Skulptur strahlt eine ungewöhnliche Ehrlichkeit und Authentizität aus. Das Tier entzieht sich dem Betrachter nicht oder versteckt sich hinter einem abstrakten Zeichen. Es ist, was es ist. Auf dem robusten, blau aquarellierten Körper, mit den fein modellierten Gliedern, sitzt der lange Hals, die nackte unbemalte Zunge ragt nach Blättern haschend in den Raum. Das Tier – es handelt sich um das seltene und scheue, an ein Fantasiewesen erinnernde, Okapi – steht im Zentrum der Ausstellung. Die blaue Zunge des Modells scheint hier auf den gesamten Körper der Skulptur ausgestrahlt zu haben bis zum gänzlichen Farbverlust seiner hölzernen Entsprechung.
Um das Tier gruppieren sich in einer offenen Anordnung weitere Gegenstände aus Holz: Schalen und Häuser. Die versammelten Objekte sind Kontrapunkte zu dem Tier. Sie verleihen ihm einen ebenso dinghaften Charakter. Die Werkgruppe um das Tier wird hier im Prozess des Werdens gezeigt und greift damit einen Aspekt auf, der dem stetig arbeitenden und sich verändernden Material Holz eigen ist. Die Ausstellung ist eine Momentaufnahme der Formung des Tieres, sie stellt einen Wendepunkt in der Kontinuität der Arbeitsweise des Künstlers dar. Okapis sind, wie das Tier im Oeuvre Starks, Einzelgänger. Vielleicht modifiziert eine solche Präsentation sogar die finale Gestalt der Plastik. Der eingeschlagene Kurs kann sich wie bei Michel Butors Modification noch ändern.
Die Unvorhersehbarkeit des sowohl toten wie lebendigen Materials symbolisiert das Zugeständnis des Künstlers, keine absolute Kontrolle über sein Werk zu übernehmen. Dem eigengestalterischen Holz wird so ein Teil der Autorschaft zugestanden. Die Form des Tierkörpers entstand aus dem Angebot heraus, das der geschälte Lindenstamm dem Bildhauer vorgab. Die trotz der Bemalung hervorstechende Nacktheit des Tiers spiegelt nicht nur die Natürlichkeit und Lebendigkeit des Holzes wieder, sondern auch dessen Verletzlichkeit und Anfälligkeit.' (Lucia Schreyer)
Ernst Stark lebt und arbeitet in Paris und Frankfurt am Main. Er war unter anderem Arbeitsstipendiat für Bildende Kunst des Landes Hessen und Stipendiat des Künstlerhauses Schloss Balmoral, sowie in den Künstlerh.usern Worpswede und an der Cité des Arts Paris. Seit 1992 zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, zuletzt in der Lothringer13 Halle München, den Galerien widmertheodoridis Eschlikon/Zürich, Fine German Frankfurt am Main, Primo Piano Paris, dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck, sowie in zahlreichen Kunstvereinen.