Chiara Fiorini

ATTRAVERSARE L'ESTATE
27. August 2010 – 16. Oktober 2010

WIDMER+THEODORIDIS contemporary freut sich, im Projektraum ‘Ehegraben’ die Schweizer Künstlerin Chiara Fiorini mit ‘Attraversare l’estate’ zu begrüssen. Die Installation wurde eigens für den Projektraum ‘Ehegraben’ kreiert und fokussiert sich auf ein prächtiges Kleid im Innenhof. Die Toninstallation dazu stammt von Dominique Starck. 

Mit wundersamen Kleidern, dieses Mal aus bunten Plastiksäcken, hat Fiorini Erfahrung. Etwa mit einem langen Kleid genäht aus Efeublättern oder zusammengesetzt aus zarten Wattebäuschen. In jedem Fall wirken die Kreationen märchen- und rätselhaft. Kleider, die nur als Idee zum Tragen gedacht sind und einen eigenartigen Zauber ausstrahlen. 

Kunst und Mode hat vor allem seit der Moderne eine lange Tradition. Andy Warhol stellte aus seinen Siebdrucken ganze Kleider her – das Tomatensuppe-Kleid war ganz aus Papier. Joseph Beuys kreierte den Filzanzug als Objekt und Referenz an seine persönliche Überlebensgeschichte. Ironisch verspielt dagegen kommt die ‘pain couture’ von Jean-Paul Gaultier daher. Allen gemeinsam ist, dass die kunstvollen Kleider eine archetypische, zeitlose Idee transportieren. Die Funktion ein tragbares Kleid zu sein, hat dabei einen untergeordneten Wert, meistens ist es unmöglich die zu tragen. Kleidermode materialisiert sich durch Dynamik und Vergänglichkeit, durch die Sehnsucht nach Neuem, aber auch durch das ständige Recyclen von bewährten Ideen. (event. diesen Satz noch dazu: Kunst verweist auf andere Inhalte). 

Aschenputtel, Herakles oder Siegfried sind nur einige Beispiele in der Weltliteratur, deren persönliche Geschichte mit einer einzigartigen Kleidung oder Hülle verknüpft ist. Seitdem Mythen und Märchen niedergeschrieben werden, kommen Kleider, welche ihren Trägern magische Kräfte bieten immer wieder vor. Der gläserner Schuh von Aschenputtel anhand diesem sie von ihrem Traumprinz erkannt wird, das Fell des nemëischen Löwen, das Herakles nahezu unbesiegbar macht oder das Bad im Drachenblut, das Siegried eine bis auf eine Stelle unverwundbare Hülle schenkt, bedienen archetypische Wünsche und Vorstellungen, die über unsere irdische Existenz hinweg deuten.
 

Fiorini spielt mit ‘Attraversare l’estate’ auf den Registern uns kollektiv bekannter Darstellungen und Phänomenen. Die starke Wirkung des Kleides und der spielerisch verstreuten Artefakte nehmen den Betrachter unmittelbar ein und lösen Fragen aus. Wem gehört das Kleid? Wo ist die Person, der das Kleid gehört? Die offenen Fragen dienen als Trittsteine für eine jeweils persönliche Interpretation und Auslegung. Sowie jedes Kleidungsstück gleichzeitig Individualität und Konformität in sich trägt, ist auch bei Fiorinis Installation der Zugang ein vom Kollektiv geprägter persönlicher Ansatz.