Das am Eingang angebrachte Bild des ‘Ehegrabens’ erlaubt als erstes, gleich einem Periskop, einen Blick aus der Ferne in das Freie zu werfen. So bündelt Schneebeli auch mit dem schmalen Steg aus Brettern den Blick und den Gang des Betrachters. Blaues Licht zaubert eine magische Atmosphäre: Sehen, Wahrnehmen und Betrachten fordern den Betrachter fast programmatisch heraus. Sind es fassungslose Brillengläser, die hier herumliegen oder eher abgelegte Scheuklappen? Im Halbdunkel dieser Passage wird der Sehsinn um ein Hörerlebnis erweitert.
Der Loop ‘Weisses Rauschen’ exponiert ein häufig zu beobachtendes Ritual zwischen Menschen im öffentlichen Raum. Man fotografiert sich wechselseitig vor demselben Hintergrund: ‘Ich stehe dort, wo du gestanden hast, du stehst jetzt dort, wo ich vorhin gestanden habe’. Grobkörniges Film-Material bringt die Sequenz an den Rand des Verschwimmens im Ungefähren, während der Schauplatz auf Abgründiges, Überwältigendes verweist. Menschen knipsen, lichten sich gegenseitig ab und frieren Augenblicke ein, umgeben von Abgründen.
Am Ende des Ganges steht der Betrachter zwar nicht am Abgrund, dennoch überschreitet er eine Schwelle und verlässt den sicheren Steg um in den freien Innenhof zu gelangen. Auf der einen Seite befindet sich ein weiteres Ensemble das sich ‘Familienausflug’ nennt. Gezeigt werden im Verbund ein Orientalischer Teppich und ein blauer Einkaufsgitterwagen mit scheinbar rohen Fleischstücken, etagenweise präsentiert auf glasgrünen Tablaren. Diese Objekte wollen etwas: Eindeutigkeit in Mehrdeutigkeit verwandeln. Über eingehende Betrachtung Denkanstösse vermitteln. Denkanstösse, genährt vom Grund ihrer blossen Bildlichkeit.
Auf der anderen Seite kombiniert Schneebeli zwei Fotozyklen, anlässlich der Dokumenta XI in Kassel und an der Bahnhofstrasse in Zürich im Jahr 2002 aufgenommen, zu einer Diaschau mit narrativen Zügen. Entstanden ist eine fiktive Geschichte über pubertäres Vagabundieren mit dem Titel ‘InStrömen’. Die in Kassel entstandenen Aufnahmen gehen im Wesentlichen von Eindrücken im verregneten Park in der Karlsaue aus - und der sich damals darin befindenden Installation der Künstlerin Dominique Gonzalez-Förster. Die Zürcher Fotografien haben Spiegelungen und Durchsichten in Schaufensterauslagen beim Paradeplatz zum Thema. Zufall und Wahl, Montage und Kombinatorik sind die Mittel für das Zusammenfügen dieser Bilder.
Am Schluss des Rundgangs steht ein kleiner Wagen, ein Fahrzeug, welches möglicherweise einen Weg aus dem Labyrinth der vielfältigen Wahrnehmungen, Bezüge und Begegnungen ermöglichen soll. Der Titel ‘Ariadne’ lässt jedenfalls aufhorchen. Ist es der Rote Faden des Sehens und der Sichtbarkeit, den Schneebeli als Angebot an die Betrachter im Ehegraben ausgelegt hat – nun eingerollt und materialisiert als Wäscheleine in einer Art Seifenkiste zur Ruhe gekommen? Der Blick nach oben schliesst und rundet den Gedanken-Gang durch Schneebelis Filiale mit dem ersten Bild der Installation ab.
Peter Schneebeli (*1957) lebt und arbeitet in Zürich und lehrt an der Zücher Hochschule der Künste. Seine Arbeiten wurden in verschiedenen Ausstellungen, hauptsächlich in der Schweiz präsentiert.